Der englische Originaltext und die Bilder wurden freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Yale University. Der Originaltext findet sich hier.[singlepic id=2560 w=200 h=133 float=left](Bild: Esben Horn)
Anomalocarida hatten lange, mit Stacheln besetzte Kopffortsätze, die vermutlich dazu dienten, Beute zu greifen. Außerdem war ihr Rücken besetzt mit schwertförmigen fasrigen Stukturen, die vermutlich als Kiemen dienten.
New Haven, Connecticut — Paläontologen haben in Marokko außerordentlich gut erhaltene Fossilien eines bemerkenswerten Meeresbewohners entdeckt und konnten nachweisen, dass diese Tiere schon sehr viel länger existierten und viel größer waren als bisher angenommen – die Anomalocarida.
Sie gelten als größte Tiere des Kambriums, bekannt für die „Kambrische Explosion“ – Vertreter fast aller heutiger Tierstämme und komplexe Ökosysteme traten vor 540 bis 500 Millionen Jahren relativ schlagartig und praktisch gleichzeitig auf. Fossilien aus diesem Zeitalter legten bisland nahe, dass diese räuberischen Meeresbewohner ungefähr eine Körperlänge von 60 cm erreichten. Sie besaßen lange stachelbesetzte Kopffortsätze, die vermutlich der Jagd auf Würmer und andere Beutetiere dienten, und eine kreisförmige plattenbesetzte Mundöffnung. Bislang wurde angenommen, dass diese bizarren Wirbellosen gegen Ende des Kambriums ausstarben.
[singlepic id=2559 w=200 h=312 float=left]Dieses Fossil einer Anomalocaris zeigt, dass dieser urzeitliche Meeresräuber sehr viel länger existierte und auch um einiges größer wurde als bisher angenommen. (Foto: Peter Van Roy)
Ein Team um den Forscher Peter Van Roy (vormals Yale, nun an der Universität Gent, Belgien, tätig) und Derek Briggs, Leiter des Yale Peabody Museum of Natural History, hat eine riesengroße fossile Anomalocaris gefunden, die einen Meter misst. Diese Fossilie zeigt schwertförmige Fasergeflechte in jedem Rückensegment. Es wird vermutet, dass es sich hier um Kiemenstrukturen handelt.
Sie stammt aus dem Ordovizium – der Periode nach dem Kambrium, in der die Biodiversifikation auf Hochtouren lief. Dieser Fund weist nach, dass diese Tierklasse 30 Millionen Jahre länger existierte als bisher angenommen.
„Die Anomalocarida sind eine der prägnantesten Tiergruppen im Kambrium,“ so Briggs. „Diese riesigen wirbellosen Räuber und Aasfresser symbolisieren die für uns nicht vertrauten morphologischen Eigenschaften von Organismen, die sich früh von den Linien abgespalten haben, von denen unsere modernen Meerestiere abstammen, und die dann ausgestorben sind. Jetzt wissen wir, dass sie wesentlich später ausstarben, als wir angenommen hatten.“
Dieses Exemplar wurde nun an einem Fundort in Marokko entdeckt – zusammen mit tausenden anderer mariner Weichkörpertiere aus dem frühen Ordovizium vor 488 bis 472 Millionen Jahren. Da harte Panzer versteinern und dadurch besser erhalten bleiben als weiches Körpergewebe, bot sich der Wissenschaft bisher nur ein unvollständiges und verzerrtes Bild des Lebens im Meer während dieser Periode. Die Tiere, die nun in Marokko gefunden wurden, lebten auf einem schlammigen Meeresboden in recht tiefem Wasser und wurden von Sedimentwolken bedeckt. So blieben weiche Körperteile ebenfalls erhalten.
„Die neu entdeckten Funde aus Marokko legen nahe, dass charakteristische Tiere des Kambriums wie die Anomalocarida noch Millionen Jahre später einen großen Einfluss auf die Biodiversität und die Ökologie von Meeresbiotopen hatten,“ so Van Roy.
Das Paper erscheint in der Ausgabe von Nature, die am 26. Mai herauskommt. Hier gibt es ein englischsprachiges Video von Derek Briggs, in dem er die Fossilien und ein Modell von Anomalocaris beschreibt.
Die Forschungsarbeit wurde von der National Geographic Society bezuschusst und von der Yale University unterstützt.
DOI: 10.1038/nature09920