Von Werner Klotz
Bilder: Chris Lukhaup
Seit dem 3. Juli 2013 ist die Datenbank auf der Seite der IUCN freigeschalten und eine Pressemeldung an die Presseargenturen erfolgt (zum Artikel). Es wurden in 2 Konferenzen alle Arten von Süßwassergarnelen weltweit diskutiert und nach ihrem Risiko, in den nächsten 10 Jahren auszusterben, beurteilt. Als zusammenfassende Beurteilung kann man sagen, dass 27% aller Arten in einer der Gefährdungsklassen zu finden sind. Details zu den einzelnen Arten können in der Online-Datenbank der IUCN abgefragt werden.
Diese auf den ersten Blick erschreckend hohe Zahl muss man allerdings etwas differenzierter sehen. Darunter fallen mehrere abgestufte Kategorien. Man muss auch wissen, dass eine Art, die nur in einem sehr begrenzten Gebiet vorkommt (wie es bei einigen unserer beliebten Aquarientiere der Fall ist – Hummelgarnelen, C. trifasciataoder die Tiere aus den Zentralseen Sulawesis -) automatisch als gefährdet gelten, da ein einzelnes Ereignis bereits das Überleben der gesamten Art gefährden kann.
Vor zwei Jahren besprachen wir das Problem der Erhaltungszuchten in einem Workshop mit Zoodirektoren. Eine Arterhaltung in Gefangenschaft ist prinzipiell ein Thema (dafür gibt es in der Roten Liste auch die Kategorie „extinct in the wild“) – aber problematisch, da man immer den sogenannten genetischen Flaschenhals mit betrachten muss. Um eine Art im Aquarium zu halten, muss die Population eine gewisse Größe haben, die Tiere dürfen NIE mit Exemplaren nahe verwandter Arten in Berührung kommen, und die Tiere sollten auf mehrere Standorte verteilt werden. Viel zu leicht kommt es in einem einzelnen Aquarium bewusst oder unbewusst zu einer Selektion und damit zu einer Veränderung des Genpools.
Anders muss man Versuche bewerten, durch gezielte Nachzuchten Tiere für die Aquaristik zu vermehren, um Naturentnahmen zu vermeiden. Es ist m.E. überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn aus einem Bach 50 Tiere entnommen und diese an 2 erfahrene Züchter abgegeben werden, welche dann die Tiere vermehren versuchen. In der Praxis ist es aber gerade bei interessanten neuen Arten leider so, dass viele Aquarianer neue Formen möglichst schnell haben wollen und nach Importen von Wildfängen gieren. Andere greifen immer wieder gerne auf Wildfänge zurück, um „Blutauffrischung“ zu betreiben oder um neues Material für irgendwelche Kreuzungsversuche zu bekommen. Wenn man bedenkt, dass die Bienengarnele bereits vor 25 Jahren nach Deutschland eingeführt wurde, ist es unverständlich, warum immer wieder versucht wird, an neue Wildfänge zu kommen. Die Art wäre ohne Probleme auch in ihrer Wildform zu züchten. Die Princess Bee ist ein gutes Beispiel dafür, wie für die Aquaristik Raubbau betrieben wird. Nachdem die Fundortdaten bekannt wurden, wurde von mehreren Seiten versucht, unter Ausschaltung der üblichen Zwischenhändler an Wildfänge dieser Art zu kommen. Die Bäche waren innerhalb weniger Monate weitgehend leergefischt….
Bei Caridina venusta (zumindest den Tieren von der Typuslokalität von C. tumida), die als die schönste Art unter den Hummelgarnelen gilt, ist es möglicherweise ganz ähnlich. Da konnten wir letztes Jahr praktisch keine Tiere mehr an der Typuslokalität finden. Offiziell gilt dort Abholzung als Ursache für diesen Rückgang. Ich halte es aber für sehr wahrscheinlich, dass dort auch neue Konkurrenz unter den Fängern mitverantwortlich ist. Bei Caridina trifasciata, einer Art, die sich sehr gut im Aquarium vermehren lässt, befürchte ich für die Zukunft ein ähnliches Szenario .
Die Aquaristik kann also durchaus sowohl das Augenmerk des Umweltschutzes auf gefährdete endemsiche Arten richten – wie im Fall der Arten aus den Zentralseen geschehen -, aber auch den Fortbestand von sehr begrenzt vorkommenden Arten ernsthaft gefährden. Es wird immer ein Spagat bleiben. Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die Hintergründe zum Warnruf von Roland Numrich aus 2012: Alarmierende Nachrichten aus Sulawesi. Auch in der Roten Liste haben wir noch den Besatz mit Speisefischen im Matano als Gefährdung für die dortigen Garnelen angeführt (siehe entsprechende Einträge bei den einzelnen Arten). In Wirklichkeit konnten die Besatzfische der Fischerei in diesem See keine größeren Bestände bilden. Das was dort seit wenigen Jahren überhandnimmt und auch Chris auf seinen Unterwasservideos zeigt, sind Flowerhorn-Cichliden, mit großer Wahrscheinlichkeit entlassene oder entkommene Aquarientiere! Details dazu hat Fabian Herder, mit dem ich zusammen gerade auch den Artikel über die beiden Süßwassergarnelen im Gillbach publiziere, in einer langjährigen Studie zusammengefasst: http://www.aquaticinvasions.net/2012/AI_2012_4_Herder_etal.pdf
Wir als Aquarianer dürfen nicht aufhören, unser Hobby in Verantwortung vor der Natur zu betreiben!