Diese wohl berühmteste Krebskrankheit wird von dem Schlauchpilz Aphanomyces astaci aus der Familie der Oomyzeten verursacht. Der deutsche Name „Krebspest“ nimmt Bezug auf die katastrophalen Auswirkungen, die dieser Pilz an den Flusskrebsbeständen in Europa angerichtet hat.
Es ist eine verheerende Seuche, die allen europäischen Flusskrebsarten und wahrscheinlich auch allen Arten der Welt ausser den nordamerikanischen Vertretern den sicheren Tod bringt. Flusskrebse aus Nordamerika sind in Co-Evolution mit diesem Pilz entstanden und haben daher wirksame Abwehrreaktionen entwickelt. Bei allen anderen bisher ausgetesteten Arten führt diese Infektion zu einem äußerst raschen Krankheitsverlauf mit hoher Mortalität bis zu Totalausfällen ganzer Populationen.
Vermutlich wurde dieser Erreger mit infizierten nordamerikanischen Krebsen in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts unbeabsichtigt nach Europa eingeschleppt, wo er sich, ausgehend von der Lombardei (Norditalien) ab 1860 über ganz Europa bis weit nach Russland hinein ausbreiten konnte.
Seit diesem Zeitpunkt treten bis heute im Freiland immer wieder Massensterben auf.
Ohne die Einschleppung dieses unscheinbaren Pilzes von Amerika nach Europa und seiner leider verheerenden Auswirkung hätte er wahrscheinlich bis heute keinen wissenschaftlichen Namen, weil er in seinem Ursprungsgebiet niemanden aufgefallen wäre. In Amerika ist er bis heute selbst unter Flusskrebsfachleuten kein Thema, weil es dort ja keinerlei Probleme mit ihm gibt.
Infektionsverlauf
Die Krebse werden durch Zoosporen, die sich mit zwei Geißeln fortbewegen können, infiziert. Schon einen Tag nach der Infektion kann man Veränderungen am Verhaltens des Wirtstieres, so es sich um eine empfängliche Art handelt, feststellen. Die Tiere putzen und kratzen sich vermehrt und werden unruhig. Ähnliche Anzeichen zeigen die Tiere allerdings auch, wenn eine Häutung bevorsteht. Aber bald folgen Lähmungserscheinungen, sie taumeln herum, erschlaffen und können auch einzelne Gliedmaßen abwerfen. Nach wenigen Tagen tritt der Tod ein. Dies sollte man gar nicht abwarten, denn wenn sein Opfer stirbt, muss sich der Pilz einen neuen Wirt suchen. Da er nur wenige Tage ohne Krebs überleben kann, bildet er Unmengen neuer Zoosporen aus. Diese schwärmen auf der Suche nach einem anderen Krebs aus. Durch die hohe Anzahl der Sporen ist in Aquarien und selbst in Teichen der Infektionsdruck enorm und die Wahrscheinlichkeit eines seuchenhaften Auftretens sehr hoch. Finden die Schwärmsporen innerhalb weniger Tage keinen neuen Wirt, sterben sie ab. Glücklicherweise bildet dieser Pilz keine Dauerstadien!
- Der Pilz (blau) durchdringt bei einer Häutung oder beim Tod seines Wirtes die Kutikula (braun) und bildet einen Sporenball.
- Die Zoospore kann sich mit zwei Geißeln aktiv fortbewegen und sucht einen neuen Wirt.
- Trifft die Zoospore auf organisches Material, setzt sie sich fest und bildet eine Zyste. Dazu muss sie die Geißeln abwerfen. Dann prüft die Zyste, ob ein Flusskrebs oder ein Fehlwirte vorliegt.
- Falls ein Fehlwirt vorliegt, Rückverwandlung in eine Zoospore; die Geißeln werden aus Zellsubstanz neu gebildet. Die Spore geht erneut auf Suche.
- Trifft sie wieder auf einen Fehlwirt, wiederholt sich der Vorgang.
- Dies kann allerdings nur 3-4 Mal geschehen, dann reicht die Zellsubstanz zur Neubildung der Geißeln nicht mehr aus und die Spore stirbt ab.
- Findet die Spore einen Flusskrebs, beginnt sie mit der Hyphenbildung und dringt in den Flusskrebs ein. Der Kreislauf ist geschlossen.
Die heute weite Verbreitung dieser Krankheit erfolgte durch die Produktion in der Aquakultur und den unsachgemäßen Besatz von Freigewässern mit nordamerikanischen Flusskrebsarten. Sie sind in der Lage, das Mycel des Pilzes einzukapseln. Dadurch kann dieser nicht ungehindert wachsen und den ganzen Körper durchwuchern, wie dies bei den weniger widerstandsfähigen Arten der Fall ist. Mit diesen eingeschlossenen Pilzhyphen kann der Krebs lange Zeit ohne jede Beeinträchtigung leben und daher zu dessen Verbreitung beitragen. Erst wenn diese Einkapselung bei einer Häutung oder durch andere mechanische Einwirkungen wie z.B. innerartliche Kämpfe oder Feindeinwirkung aufgerissen wird, können Sporen ins Wasser gelangen und neue Infektionen hervorrufen. Man kann also mit völlig gesund erscheinenden Tieren diese Seuche übertragen. Auch wenn der befallene Krebs aus anderen Gründen stirbt, muss sich der Pilz einen neuen Wirt suchen.
Auch amerikanische Krebsarten können an der Krebspest sterben, wenn andere Krankheiten gleichzeitig auftreten und das Immunsystem dadurch “überlastet” wird. Beim Signalkrebs Pacifastacus leniusculus ist dies bereits nachgewiesen.
Aber nicht nur mit lebenden Flusskrebsen ist eine Übertragung dieses Pilzes möglich. Auch mit anderen Wasserlebewesen wie Schnecken, Muscheln, Fischen aber auch Wasserpflanzen und dem Wasser selbst sowie mit feuchten Netzen, Behältnissen und Schläuchen können die Sporen oder die Zysten transportiert werden. Daher ist bei der Pflege verschiedener Arten peinliche Hygiene angesagt, um die Tiere nicht zu gefährden (dies gilt natürlich auch für Viren und Bakterien).
Aussetzungen ins Freiland verbieten sich ohnehin, aber auch das Ausbringen von Mitbewohnern aus Krebsaquarien sollte nur nach 4-8 Wochen Quarantäne erfolgen. Ebenso verhält es sich bei der Haltung von Krebsen im Gartenteich.
Bei dieser Krankheit ist keine Behandlung möglich. Nur die Vorbeugung ist ein wirksamer Schutz vor einer Infektion.
Von Reinhard Peknyi