Parasiten
Zu Hülf, ein Wurm … was mach ich nur??? Dieser Ruf erschallt immer wieder, in den sozialen Netzwerken und Foren ebenso wie in diversen Treffen unter Aquarianern. Sehr schnell werden dann oft vermeintlich gefährliche Mitbewohner diagnostiziert, die es mit Stumpf und Stiel auszurotten gilt, und das verhängnisvolle Wort „Planarie“ fällt in schönster Regelmäßigkeit, zusammen mit dem Rat, sich beim Tierarzt oder im Fachhandel entsprechende Medikamente zu besorgen und gegen die Würmer vorzugehen. Auch erfahrene Fischaquarianer werden oft von der Fülle der Begleitfauna im Garnelenbecken überrascht, weil die Tierchen im Fischaquarium durch die Dauerpräsenz ihrer Fressfeinde sehr viel versteckter leben.
So verständlich die Sorge der Halter um ihre schönen und wertvollen Garnelen ist, so unvorsichtig sind solche „Ferndiagnosen“, denn ein Medikamenteneinsatz im Garnelenbecken kann mehr Schaden als Nutzen anrichten. Gerade das oft empfohlene Panacur kann bei Garnelen zu schweren Fortpflanzungsstörungen führen, und Flubenol, Panacur und No Planaria sind für manche Schneckenarten ebenso tödlich wie für Planarien und können ein Becken über Monate für Schnecken unbewohnbar machen. Diese Mittel sollten daher nur nach sorgfältiger Diagnosestellung angewandt werden!
Nicht alles, was weißlich und länger als breit ist, ist deshalb schon eine Planarie … Oft mit diesen je nach Art nicht ganz ungefährlichen Räubern verwechselt werden beispielsweise die Vertreter der Rhabdocoela, die oft als Scheibenwürmer bezeichnet werden. Sie haben jedoch im Gegensatz zu den meisten Planarien keinen abgesetzten, dreieckigen Kopf, und ihr Darm ist nicht Y-förmig geteilt (was im Durchlicht sehr gut zu erkennen ist). Damit können sie sehr sicher von Planarien unterschieden werden. Scheibenwürmer sind für Garnelen nicht gefährlich, manche Arten können sich jedoch die eine oder andere Jungschnecke schmecken lassen.
Auch Schneckenegel werden manchmal für Planarien gehalten. Auch sie haben im Durchlicht keinen Y-förmig geteilten Darm, und ihre Oberfläche ist im Gegensatz zu der der Planarien sehr hart und fühlt sich knubbelig an. Außerdem kann man sie gut an der Tropfenform erkennen. Sie sind für Garnelen trotz ihrer Größe absolut harmlos, weil sie auf ihre eigentliche Nahrung, nämlich Schnecken, hoch spezialisiert sind. Sie würden eher verhungern als an Garnelen zu gehen. Das Mittel der Wahl gegen Schneckenegel im Garnelenaquarium ist Absammeln, da alle Medikamente, die gegen Schneckenegel wirken, Kupfer enthalten und damit auch für Garnelen absolut tödlich sind. Weitere Kandidaten, die hin und wieder gern als Planarie bezeichnet werden, sind Vertreter der Wenigborster. Diese Würmchen leben nicht räuberisch, sondern kümmern sich um Futterreste und totes Pflanzenmaterial, durchlüften den Boden und sind damit sehr nützlich im Biotop Aquarium. All diesen Würmern ist gemein, dass sie nicht auf die üblichen Medikamente gegen Planarien reagieren, deren Einsatz daher im System Aquarium deutlich mehr Schaden anrichtet als er Nutzen bringt (in diesen Fällen nutzen die Medikamente ja überhaupt nichts und schaden nur). Man sollte also sehr sorgfältig hinschauen, wogegen man nun behandelt!
Wie immer ist Vorbeugen besser als heilen, von daher gebe ich hier gern auch noch die Tipps von Monika Wagner weiter, wie man sich erst gar keine Planarien einfängt: „Ich kann nur immer wieder empfehlen, bei Pflanzenkäufen/gebrauchtem Zubehör (kochendes Wasser/heißes Wasser/Wässern) eine lückenlose Quarantäne durchzuführen, damit es gar nicht erst soweit kommt. Einfach erstmal die Pflanzen beim Wässern auf der Fensterbank mind. 2 Wochen genau beobachten. Haribodosen/Schokokusseimer bieten sich da super an, da sie hell, durchsichtig, wasserdampfdicht und vom Wasservolumen auch sonst sinnvoll sind. Natriumarmes, kohlensäurehaltiges Wasser kann auch zur Feststellung von Planarien genutzt werden. Pflanzen für 10 min. hineinlegen, ab und zu schütteln. Die Planarien fallen dann betäubt auf den Boden des Gefäßes, werden allerdings nicht umgebracht. Pflanzen herausheben und wieder für 10 Tage in Aquarienwasser in die Haribodose legen. Nach den 10 Tagen wiederholen, da Eier nicht vom Mineralwasser angegriffen werden. Anschließend wieder beobachten…und wenn nix mehr auftritt, kann man sie ins Aq. setzen. Eine andere Methode der Quarantäne für Hardcoreplanarienhasser ist, die Pflanzen emers aus einer Eisbox wachsen lassen, die Spitzen mit 10 cm kappen und algen- und parasitenfrei im Aquarium einpflanzen.“
Infektionen
Ein weiterer Punkt, an dem ein Medikamenteneinsatz möglicherweise gerechtfertigt ist, ist ein schleichendes Sterben oder eine akute bakterielle Erkrankung der Garnelen. Schnell wird zu Antibiotika oder Desinfektionsmitteln geraten, da schwere Fälle mit Heilmitteln aus der Natur nicht mehr effektiv behandelt werden können. Grundsätzlich sollte man lieber vorbeugen als heilen, eine gute Beckenhygiene (regelmäßige ausreichend große Wasserwechsel, Laub, geeignetes Futter, keine Pflanzenreste und übermäßigen Mulmansammlungen) und ggf. eine Quarantäne beim Zukauf neuer Tiere sind hier präventiv sehr zu empfehlen. Manchmal kommt man dann dennoch leider um einen Antibiotikaeinsatz nicht herum – hier wäre es jedoch immens wichtig, sich beim Tierarzt gut über die Dosierung zu informieren, sachgerecht zu behandeln (um das Risiko einer Resistenzbildung so klein wie möglich zu halten) und vor allem das Wechselwasser aus dem Aquarium so zu entsorgen, dass es nicht in natürliche Gewässer gelangen und dort Resistenzen begünstigen kann. Auch zur Entsorgung gibt der Tierarzt Tipps, gegebenenfalls sollte man nochmals gezielt nachfragen!
Im Gesellschaftsaquarium mit Garnelen kann es natürlich auch beim Fischbesatz zu Erkrankungen kommen. In diesem Fall muss man den Beipackzettel sehr genau lesen – viele Fischmedikamente werden von Garnelen und anderen Wirbellosen nicht vertragen oder sind nicht bei ihnen getestet worden. Ist man hier unsicher, kann der Hersteller (nicht der Shopbetreiber oder der Verkäufer und auch nicht die vielen netten Menschen in den Foren und sozialen Netzwerken) weiterhelfen. Meist ist dieser Kontakt nur einen Mausklick entfernt! Behalten wir immer im Hinterkopf – Medikamente sind für die Verursacher von Krankheiten oder für Parasiten nur ein wenig giftiger als für die Organismen, denen geholfen werden soll – eine Belastung für das biologische System im Aquarium und auch für die erwünschten Bewohner stellen sie jedoch immer dar und sollten daher nur nach sorgfältiger Erwägung eingesetzt werden!