Die gefürchtete „systemische Mykose“ (eigentlich ein Befall mit Ellobiopsidae, einem Parasiten bei Neocaridina-Garnelen) und wie man sie behandelt
Originalartikel erschienen am 28. März 2017 bei Discobee.com
Anmerkung: Dieser Artikel ist aus dem Jahr 2017. Mittlerweile gibt es neue Erkenntnisse. Es handelt sich hier mitnichten um Ellobiopsidae oder Mykose, sondern um eine parasitäre Alge (Cladogonium ogishimae).
Viele Garnelenhalter berichten, dass bei ihren Garnelen ein „grüner Pilz“ am Unterleib wächst, der sich über die ganze Länge der Schwimmbeine oder Pleopoden bei Neocaridina-Garnelen ausbreitet. Oft hält man befallene Tiere für tragend, weil die Gewächse auf den ersten Blick aussehen wie Eier bei tragenden Weibchen. Diese Fehleinschätzung führt dann zu einem Befall der gesamten Garnelenpopulation. Fälschlicherweise wird dieser Befall oft immer noch als systemische Mykose angesprochen.
In diesem Artikel möchte ich meine Forschungen über diesen Parasiten aus der Klasse der Ellobiopsidae berichten, über seine Ähnlichkeit zu den im Meer vorkommenden Formen aus dieser Klasse und über meine Heilungsversuche bei meinen Garnelen. Bevor ich fortfahre, möchte ich jedoch klarstellen, dass ich zuvor bereits jede online dokumentierte Bekämpfungsmethode ohne Erfolg angewendet hatte. Im Moment wird zu Bädern geraten, um den Erreger (ein parasitäres Protozoon) in seiner Entwicklung zu stören — das reicht von Salzbädern (mit bis zu 2 EL Salz auf eine Tasse Osmosewasser) über Formalin-Behandlungen oder Behandlungen mit Fenbendazol (bis zu für Garnelen toxischen Konzentrationen). Diese Vorgehensweisen sind Standardbehandlungen, mit denen man für gewöhnlich Probleme bei Garnelen behandelt, sie helfen gegen klassische Aufsitzer wie Glockentierchen oder Saugwürmer ebenso wie gegen Hydren oder Planarien.
Ich fand nur wenige zuverlässige wissenschaftliche Quellen, die näher auf die Eigenschaften der Ellobiopsidae eingingen, und zu meiner Überraschung fand ich lediglich Informationen über marine Ellobiopsidae als Protisten. Ich fand jedoch einen sehr interessanten Artikel im Journal of Eukaryotic Microbiology (51(2):246-52 · März 2004), in dem die Eigenschaften dieser gefürchteten Parasitenfamilie beschrieben werden. Die Autoren stellen fest, dass Ellobiopsidae eine „Wurzel“ besitzen, mit der sie in den Wirt eindringen und ihm Nährstoffe entziehen, sowie Strukturen, die der Fortpflanzung dienen und die durch den Carapax nach außen ragen. Ellobiopsidae werden wahlweise den Pilzen oder den Algen beziehungsweise den Dinoflagellaten zugeordnet. Als Hobby-Mykologe faszinierte mich die Zuordnung zu den Pilzen natürlich besonders, und das gab mir auch den nötigen Hinweis auf die komplette Taxonomie der Ellobiopsidae des Süßwassers. Mein Interesse daran, die Beziehungen zwischen der parasitischen Pilzgattung Cordyceps und Insekten, half ebenfalls. In der Beziehung Cordyceps — Insekt ist der Lebenszyklus des Parasiten jeweils stark an eine bestimmte Insektenart gebunden. Der Pilz entwickelt hochspezifische Mechanismen, mit denen er die betroffene Wirtsart komplett dominiert. Dies ist vergleichbar mit der Beziehung Neocaridina — Ellobiopsidis. Der Protist befällt keine Garnelen aus der Gattung Caridina, nur Neocaridina. Ich habe dies selbst beobachtet — ich halte alle meine ausselektierten Garnelen zusammen in einem Aquarium, und nur die Neocaridina (die alle befallen waren) zeigten die Fruchtkörper des Parasiten. In dieser Grafik aus dem vorher angeführten Artikel sehen wir einen solchen Fruchtkörper eines Ellobiopsis-Protozoen.

Gonomere with spores – reifer Fruchtkörper mit Sporen; Trophomere – reifender Fruchtkörper; Host carapace – Panzer des Wirtstiers; Parasite root – Wurzel des Parasiten
Ich möchte noch erwähnen, dass die Autoren des Artikels im Journal of Eukaryotic Microbiology davon ausgehen, dass Ellobiopsidae einen hakenartigen Mechanismus besitzen, mit dem sie den Panzer ihres Wirtes durchdringen und dass sie sich damit auch von ihrem Wirt ernähren. Ich glaube jedoch nicht, dass die Süßwasser-Ellobiopsidae einen solchen Mechanismus besitzen. Wenn dem so wäre, müssten sie sich auch auf Caridina ausbreiten, ähnlich wie andere Außenparasiten.
Nach meinen Beobachtungen zeigten meine aussortierten Caridina-Garnelen niemals einen Befall mit Ellobiopsidae, und ich fragte mich, wie der Parasit wirklich arbeitet. Meine bei der Selektion augenscheinlich gesunden Neocaridina, die in diesem Becken lebten, steckten sich in immer größeren Zahlen mit Ellobiopsidae an. Ich hielt hunderte verschiedener ausselektierte Garnelen in einem Aquarium mit 110 Litern Fassungsvermögen. Ich fütterte in diesem Becken extrem sparsam, um einerseits die Vermehrung zu unterbinden und andererseits die Wasserverschmutzung auf einem niedrigen Niveau zu halten. Ich fand heraus, dass die sparsame Fütterung mit der Hauptgrund dafür war, dass der Parasit in die Vermehrungsphase kam und Sporenkörper an den geschwächten Tieren ausbildete. Ich kenne den genauen Auslöser für die Bildung der Sporenkörper nicht, aber ich kann sagen, dass meine Garnelen sich zuerst über diesen Sporenkörper hermachen, wenn sie eine kranke Artgenossin auffressen. Das folgenden Foto nahm ich bei meiner ersten Neocaridina-Population auf, die sich durch intensiv gefärbte, aus Asien importierte Bloody Mary mit Ellobiopsidae infizierte. Hier kann man deutlich erkennen, dass die Unterbauchregion der toten Garnele sauber ausgefressen wurde. **An dieser Stelle ein großes Danke an Eric Martens von DiscoBee.com, dass er mich ins Garnelenhobby eingeführt hat! Ich bin sicher, dass noch andere Leute eine ebenso tolle Aufklebersammlung haben wie ich. **
So kam ich darauf, wie das erste Stadium bei der Ausbreitung dieses Parasiten funktioniert. Wenn man unglücklicherweise den Parasiten in der Population bemerkt, ist es meist schon zu spät — man sieht die voll ausgereiften Sporenkörper unter dem Pleon, die dort die Garnele deutlich an der Bewegung hindern. Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass sich die reifsten Teile des Sporenkörpers etwas lösen. Das ist ein weiterer wichtiger Hinweis darauf, warum die Ansteckung innerhalb einer Population so willkürlich erfolgt und warum sie in manchen Garnelengruppen jedes Tier betrifft: Garnelen sind Resteverwerter und hören praktisch niemals auf zu fressen. Es werden sich immer wieder neue Tiere infizieren, wenn man nicht alle sichtbar betroffenen Garnelen in Quarantäne steckt UND das Substrat komplett von Ellobiopsiden-Sporen säubert.

Mit dieser High-Grade Bloody Mary fing alles an: Sie kostete mich im Jahr 2015 8 Dollar und brachte als „Patient 0“ die Infektion mit.
Meine Lösung: Meine Nachforschungen und Beobachtungen führten mich darauf, dass das Immunsystem bei Arten aus den Gattungen Caridina und Neocaridina so unterschiedlich angelegt ist, dass nur die letzte Gattung von dem Parasiten befallen werden kann. Daher überlegte ich, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, das Immunsystem zu unterstützen und etwas zu tun, das es selbst nicht leisten kann: nämlich das Wurzelsystem des Parasiten zu zerstören. Ich machte Medizinalflocken, um den systemischen Parasiten zu bekämpfen, und ich probierte die Flocken bei einigen frisch infizierten Neocaridina mit noch geringem sichtbarem Befall aus, die ich damit tatsächlich auch retten konnte. Ich probierte eine ganze Reihe von Medikamenten aus und begann dabei mit frei verkäuflichen Produkten. Auf anderen Garnelenseiten war schon zu lesen, dass die Behandlung dieser Parasiteninfektion mit Ichthyo-Medikamenten erfolgreich gewesen war. So kam ich durch die Versuche schließlich zu meinem eigenen Rezept. Eigentlich wollte ich es kommerziell ausbeuten, da jedoch andere Projekte mich auf Trab hielten und es auch gar nicht so viele infizierte Import-Garnelen gab (beziehungsweise die Importeure vielleicht auch nicht zugeben wollten, dass sie kranke Tiere importiert hatten), habe ich diese Informationen bisher für mich behalten und nur meine Medizinalflocken denen gegeben, die mich über verschiedene öffentliche Plattformen kontaktiert und um Hilfe gebeten hatten. Mir wurde bewusst, dass diese Informationen unter die Leute gebracht werden müssen, ganz besonders sollten die Züchter in Asien sie bekommen — vielleicht gelingt es uns ja, dieses Übel mit der Wurzel auszurotten. Immerhin beeinträchtigt das Problem die Ausbreitung unseres wunderbaren Hobbys in den USA!
Und hier ist das Rezept für Medizinalflocken zum Selbermachen: Damit lassen sich befallene Garnelen behandeln und einem Befall kann vorgebeugt werden.
Findet ein Futter, das eure Garnelen SEHR schnell fressen. Ich kann hier beispielsweise Snowflake-Futter (Sojabohnenhülsen) empfehlen. Es ist bei diversen Anbietern erhältlich und außerdem sehr trocken — so nimmt es die flüssige Medizinallösung optimal auf.
Kauft eine Flasche Kordon Rid Ich Plus gegen Protozoen (auf dem deutschen Markt entspricht diesem Mittel von der Zusammensetzung am ehesten Tetra Medica Contraick).
Legt einige Stücke eurer Pellets auf einen kleinen Teller und tropft die Flüssigkeit direkt auf die Pellets, bis sie aufgegangen sind und nichts mehr aufsaugen. Ich habe diese Methode gründlich getestet, man kann so keine Konzentration erreichen, die giftig für Garnelen wäre.
Lasst das (nun zerfallene, aufgeflockte) Snowflake-Futter komplett trocknen, damit die Medikamente darin eingeschlossen werden.
Es sollte nun ungefähr so aussehen (bitte beachtet, dass ich hier pelletierte Gerste verwendet habe, weil ich ein eigenes Rezept entwickeln wollte — das Futter dient jedoch nur dazu, die Medikamente zu transportieren und ist daher nur sekundär):
Um die ganze Population im Becken erfolgreich zu behandeln, müssen zunächst alle Garnelen herausgefangen und in Quarantäne gesetzt werden, die sichtbar mit dem Protozoen befallen sind und Fruchtkörper der Ellobiopsidae aufweisen (oder, wie fälschlich genannt: den „grünen Pilzbefall“). Die Garnelen, die einen starken Befall aufweisen, würde ich persönlich erlösen, sie sind meist nicht mehr behandelbar. Tiere mit einem sichtbar weniger starken Befall haben noch eine Chance. Sie werden ausschließlich mit den Medizinalflocken gefüttert, eine Woche lang oder noch länger. Unten seht ihr Fotos, die ich zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten gemacht habe. Sie zeigen die Fortschritte zweier Garnelen. Eine von ihnen hat fast ihre ganze Farbe verloren, aber die Medizin gut angenommen. Die Fruchtkörper der Ellobiopsidae sind sichtbar geschädigt. Im letzten Bild hatte ich eine weitere neu infizierte Garnele dazugesetzt, die ich in meiner Gruppe gefunden hatte und behandeln wollte (im letzten Bild links), aber man kann kann deutlich sehen, dass die bereits länger behandelten Garnelen sichtbar auf dem Weg der Besserung sind.
Sobald ich alle ansteckenden Tiere in Quarantäne gesetzt hatte, nahm ich auch alle anderen, scheinbar gesunden Garnelen aus dem Aquarium (ich hatte diese Gruppe zuvor über eine Woche lang mit Medizinalflocken gefüttert) und setzte sie in ein neues, gut eingefahrenes Becken. Ich fing sie mit einem Netz heraus und setzte sie kurz in einen Eimer mit Osmosewasser, das ich mit Mineralsalz aufbereitet hatte und das dieselben Werte aufwies wie das Ursprungsaquarium. Außerdem hatte ich dem Eimer noch eine Standard-Dosis Seachem Paraguard zugegeben. Ich fing die gesamte Gruppe aus dem Aquarium und setzte sie zunächst in den Eimer. Das Paraguard sollte sicherstellen, dass letzte noch verbliebene Ellobiopsiade nicht mit dem Kescher in das neue Aquarium verschleppt würden. Ich ließ die Tiere für mehrere Stunden im Eimer und setzte sie erst dann in ihr neues Aquarium. Dort leben sie nun zusammen mit einer kleinen Gruppe schwarzer King Kong (Caridina logemanni). Die Gruppe ist seit fast einem Jahr frei von Ellobiopsidae und sieht heute so aus:
Anmerkung des Übersetzers: Leider ist in der EU die Verwendung von Malachitgrün in kommerziellen Futtermitteln (leider auch in Futtermitteln für Ziergarnelen) nicht erlaubt, da sich Malachitgrün in Speisefischen ansammelt und so in die menschliche Nahrungskette gelangt.
Über den Autor:
Chaz Hing ist der Gründer von ElevateShrimp.com, er hat einen Bachelor in Chemie der University of Delaware und leitete beim USDA-Forschungsdienst in Newark, Delaware, entomologische Forschungen. Er ist passionierter Aquarianer und beschäftigt sich leidenschaftlich gern mit Wasserchemie. Chaz möchte durch das Teilen seines Wissens und die Ergebnisse seiner Forschungen die Garnelengemeinde in den USA und weltweit voranbringen.